Bild: Bürgerinitiativen informieren, rechts Martin Schreck von der Bürgerinitiative pro Eggarten
Am 10. Januar trafen sich die Münchner Bürgerinitiativen im Bürgersaal Fürstenried, organisiert von Dr. Gisela Krupski (München-Liste) und Stefan Bürger (BI Fauststraße 90). Das Motto der Messe war diesmal „München, Grüne Stadt der Zukunft?“. Außerdem kündigten die Bürgerinitiativen einen sommerlichen Sternmarsch für mehr Baum- und Grünschutz an und luden zum Orgatreff ein.
Bauvorhaben versus Bäume
Neben der Ausstellung gab es auch heuer wieder ein Programm mit sechs Kurzvorträgen aus Politik und Bürgerinitiativen. Der Eggarten war zwar kein Vortragsthema, allerdings beanstandete Christian Hierneis vom Bund Naturschutz München, dass bei Planungen neuer Quartiere der Verkehr offenbar erst nachträglich betrachtet werde. Und diesen Eindruck bekommt man auch beim Bauvorhaben „Eggarten-Siedlung“ (Details im Artikel).
Hierneis wählte ein anderes Beispiel – die Bebauung der ehemaligen Bayernkaserne unter dem Namen „Neufreimann“: Dieses Neubaugebiet wird unter anderem durch die Tram Nord erschlossen. Da man für die Tram keine Autospur aufgeben wollte, fallen laut Hierneis in der Folge 714 (!) Bäume der Tramlinie zum Opfer. Die vorgeschriebenen Ersatzpflanzungen sollen teils außerhalb der Stadt umgesetzt werden, weil passende Standorte in München schon knapp sind. Unter solchen Umständen würde der Bund Naturschutz Elektrobusse einer Tram vorziehen.
Wert und Schutz von Stadtbäumen
Gisela Krupski ist Biologin und befasst sich im Bund Münchner Bürgerinitiativen (BMBI) mit dem Baumschutz. Sie wies darauf hin, dass eine 80-jährige Linde im Vergleich mit einem 20-jährigen Exemplar etwa 10-fache Leistungen für die Umwelt erbringt, was Verdunstung und Beschattung betrifft, aber auch beim Aufbau der Biomasse und der CO2-Speicherung. Dazu präsentierte Krupski eine Grafik der TU München (Prof. Pauleit, Prof. Roetzer) über die Linde als Stadtbaum. Ersatzpflanzungen können also mehr oder weniger ausgewachsene Bäume nicht wirklich ersetzen. (Eigene Ergänzung: Der ökologische Wert alter heimischer Bäume für zahllose Insektenarten kommt noch hinzu.)
In der folgenden Diskussion wies jemand vom Arbeitskreis Baum- und Gehölzschutz (siehe Website) des Bund Naturschutz München darauf hin, dass ein Straßenbaum gar nicht so alt werde wie ein Baum in der freien Natur (zu den Stressfaktoren gehören oft die Versiegelung der Umgebung und damit die schlechtere Wasserversorgung). Klaus Bäumler vom Münchner Forum erwähnte eine Neuerung aus der Kartographie: In den amtlichen Flurkarten des Landesamtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung werden demnächst auch Einzelbäume verzeichnet sein. Im Internet sollen die Einzelbäume laut Landesamt sogar bis Ende des ersten Quartals auf atlas.bayern.de eingearbeitet werden.
Planungsdesaster 2. Stammstrecke
Der Verkehrsplaner Thomas Kantke befasst sich seit vielen Jahren mit den Planungen zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke. Er hatte schon 2023 bei einer eigenen Veranstaltung der München-Liste zu diesem Thema ausführlich über die zahllosen Probleme berichtet.
Er präsentierte diesmal 12 populäre Irrtümer zum 2. S-Bahn-Tunnel, die auch im Internet abrufbar sind (PDF-Download). Sein Vortrag über das „totale Planungsdesaster“ und sein sarkastischer Humor kamen gut an. Den härtesten Gag steuerte ein Beamter der Deutschen Bahn in einem Gespräch mit Kantke bei: Hinweise auf erhebliche Schwachstellen beantwortete er laut Kantke damit, dass er längst in Pension sei, wenn der zweite Tunnel mit 30 Jahren Verspätung einmal fertig werde. (Laut Ex-Verkehrsminister Otto Wiesheu sollte er ja 2010 in Betrieb gehen …)
SEM Nord in Feldmoching
Dirk Höpner vom Bündnis München Nord widmete sich einem Vorhaben des Planungsreferats, zu dem es hier auf der Seite einen eigenen Artikel gibt- der „SEM Nord“ mit großen Neubaugebieten. Über die mittlerweile stattgefundene „Ideenwerkstatt“ zur SEM Nord berichtete Höpner, dass diese städtische Veranstaltung nicht von allen Anwesenden als echte Bürgerbeteiligung akzeptiert wurde: Jede teilnehmende Organisation hatte nur fünf Minuten Zeit für ihre Stellungnahme, eine verließ die „Ideenwerkstatt“ unter Protest. (Die SEM Nord betrifft den Eggarten übrigens nicht, das SEM-Planungsgebiet liegt weiter nordwestlich. Aber beide Gebiete liegen im Stadtbezirk Feldmoching und in der Nähe der dortigen drei Seen.)
Zwei weitere Vorträge der Veranstaltung galten den Bodenpreisen (am Beispiel Truderinger Acker) sowie dem Münchner Grundwasser, welches durch Baumaßnahmen im Untergrund unter Druck geraten kann: Beim Stammstreckenbau muss viel Wasser in die Isar abgeleitet werden und geht somit als relativ sauberes Süßwasser für immer verloren. Im Münchner Norden steigt das sowieso hoch stehende Grundwasser noch weiter an, wenn die Bebauung in den Untergrund reicht – auch hier greifen viele Aspekte des München-Wachstums ineinander.
Parallelen zum Eggarten?
Eine weitere Nachlese zu den Vorträgen der BI-Messe gibt es beim Lokalanzeiger 24 aus Feldmoching. Im Abschnitt über Bodenpreise und Truderinger Acker schreibt die Kollegin: „Welcher Bodenpreis wird dem Verkauf wohl zugrunde gelegt? Dabei hatte der zuständige BA 14 schon 2014 die Stadt aufgefordert, das Ackerland zu kaufen. Die gleiche wundersame Geldvermehrung geschah übrigens beim ‚Langen Land‘, wo die CA Immo einen satten Gewinn einstreichen konnte, als sie 2023 das Areal, kaum Bauland geworden, an die Empira verkaufte.“
Seit Spätherbst kursieren im Stadtbezirk 24 (Feldmoching-Hasenbergl) Gerüchte, ein Teil des Eggartens sei verkauft worden. Auf der Website der CA Immo München ist das Projekt „Eggarten Siedlung“ seit Monaten aus dem Portfolio verschwunden (die letzte auf Archive.org gespeicherte Version ist vom März 2024, siehe auch Übersicht dort). Auch das letzte PR-Podium für das angestrebte „Modellquartier“ ist schon 10 Monate her.
Hat die CA Immo den Eggarten einst billig eingekauft, die Siedlung im Lauf der Jahre verfallen lassen, die Genossenschaften ins Boot geholt, gemeinsam für eine Bebauung lobbyiert, mit Hilfe des Aufstellungsbeschlusses im Stadtrat eine massive Aufwertung der Bodenpreise erreicht (ganz grob geschätzt um den Faktor 500 bis 1000 höher) und am Ende weiterverkauft? Ich hatte mich etwas umgehört, aber niemand wusste etwas Konkretes. Bei Privatverkäufen wird der Bezirksausschuss nicht informiert, auch nicht bei großen Flächen. Die CA Immo München hat meine Frage nach einem Verkauf nicht beantwortet.
Den Eggarten wieder abzustoßen, weil eine vergleichsweise kleine Neubausiedlung für einen großen Investor mit dem Schwerpunkt Büroimmobilien nicht interessant genug ist und die massiven ökologischen Konflikte mit dem angestrebten grünen Image kollidieren, würde jedenfalls ins Bild passen: Am Kapitalmarkt kann man nicht nur Aktien der CA Immo kaufen, sondern auch „Green Bonds“ des Unternehmens. Manager der CA Immo kamen schon mit dem Rennrad von Wien und Graz zur Münchner Immobilienmesse „Expo Real“.
Weitere Links und Lesetipps
In Sachen Eggarten beachten Sie bitte auch die 2025 veröffentlichte und laufend aktualisierte Chronologie der Planungen und Aktionen hier auf der Seite.
Einen interessanten Artikel über eine ähnliche Messe der Bürgerinitiativen im Vorjahr finden Sie in der SZ, zitiert und verlinkt beim Bürgerdialog.
Das diesjährige Motto war übrigens vom Forschungsprojekt Grüne Stadt der Zukunft inspiriert und um ein Fragezeichen ergänzt, weil sich die Stadt München eher in die andere Richtung bewegt – der Untertitel lautete „im Spannungsfeld von Verdichtung, Verkehrswende und Klimanotstand“.
Text und Foto: Irene Gronegger, Diplom-Geographin und freie Journalistin
Bearbeitungsstand: 15. Januar 2025